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Nashville News: Frauenpower an der Harpeth Hall

Katharina Tesch fühlt sich nach anfänglichen Unsicherheiten mittlerweile ganz zu Hause:

Als wir aus New York ankamen, wusste ich noch nicht genau, was ich von Nashville und dem Austausch generell halten sollte. Obwohl meine Gastfamilie mich herzlich empfing und auch jetzt noch sehr bemüht ist, mir meinen Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten, wollte ich die ersten paar Tage am liebsten nach Hause zu meiner Familie. Die 3 Wochen kamen mir vor wie eine Ewigkeit, die ich getrennt von meiner gewohnten Umgebung, in einer neuen Familie und Schule, mit neuen Freunden verbringen würde. Auch wenn die Leute hier mit Abstand die nettesten, hilfsbereitesten und bescheidensten Menschen sind, die ich jemals kennengelernt habe, fühlte ich mich die ersten paar Tage ein wenig verloren. Aber wie ich es erwartet und gehofft hatte, war dieses Gefühl nach einigen Tagen verschwunden. Janet, meine Gastschwester, mit der ich mich blendend verstehe, ist mir seit Tag eins bei allen Fragen und Problemen zur Seite gestanden und hat mir nicht nur die guten, sondern auch die schlechten Seiten Nashvilles und der dortigen Gesellschaft gezeigt. Die Selbstverständlichkeit, dass jeder hier eine außergewöhnliche Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft aufbringen muss, führt oft dazu, dass man von anderen Menschen übergangen wird oder nicht mehr als Autorität wahrgenommen wird. Deshalb, sagte sie mir, sei es schwer, hier raus zu kommen und etwas Großes zu erreichen. Janets Vater besitzt einen Golfladen, in dem Janet manchmal während der Ferien oder nach der Schule arbeitet.

Ich gehe, genauso wie fünf weitere Mädchen, auf die Harpeth Hall, welche mich mit ihrem Konzept als eine reine Mädchenschule sehr inspiriert. Zu sehen, wie diese die Talente und das Selbstbewusstsein aller Mädchen fördert, ist beeindruckend. Man merkt, dass die Mädchen hier eine ganz andere Einstellung und Sichtweise haben als wir. Bevor ich hierher kam, habe ich das Konzept der Mädchenschule als eher konservativ gesehen. Jetzt betrachte ich jedoch unser System als konservativ. Die Mädchen hier haben trotzdem noch viel Kontakt zu Jungs und reden sogar häufiger über diese, als wir es tun. In der Schule jedoch habe ich das Gefühl, dass sie um einiges selbstbewusster sind und sich selbst mehr zutrauen. In Deutschland gibt es viel mehr Mädchen, die sich aufgrund verschiedener Unsicherheiten sowohl im Unterricht als auch im privaten Umfeld zurücknehmen. Ob das nun nur an den Jungs liegt oder noch andere Ursachen hat, kann ich nicht sagen, aber hier sind die Mädchen auf jeden Fall um einiges offener mit ihrer Meinung und äußern diese, wann immer sie können. Die Mädchen sind auch um einiges fleißiger hier als in Deutschland. Janet muss jeden Tag viel für die Schule machen und bleibt meistens bis spät abends wach, um ihre Hausaufgaben zu erledigen oder für ihre nächste Arbeit zu lernen. Diese Disziplin fehlt bei vielen Schülern in Deutschland. Die Schüler der Harpeth Hall haben alle ein Ziel vor Augen und wollen später etwas erreichen. Janet möchte später Politikerin werden.

Im Großen und Ganzen gefällt mir das amerikanische Alltagsleben sehr: der lockere Umgang mit Fremden, die Freundlichkeit und Offenheit. Vor allem auch von Lehrer zu Schüler. Die Lehrer sind hier mit voller Leidenschaft bei der Sache und interessieren sich für jeden einzelnen Schüler und dessen Leben.